Sehr interessante Frage.
Auch ich finde es gut dass dieses Thema mal angesprochen wird und möchte hiermit mal meine Erfahrung und meine Gedanken in der Thematik teilen.
Vorweg meine Meinung, die ich im nachfolgenden erläutere: Eskalationen in Forendiskussionen sind meiner Meinung nach vermeidbar unter gewissen Bedingungen.
Zunächst einmal ist klar, dass der Mensch gerne sein Handeln von Gefühlen und Emotionen lenken lässt und dass dies in den meisten Fällen unklug ist. Das sieht man in vielen Bereichen des realen Lebens, als auch hier im Forum. Ein Paar beispiele aus dem Reallive:
1) Beziehungen: Besonders hier merkt man oft, wie Emotionalität Menschen für die Realität völlig erblinden lässt. Aus der reinen Angst, allein zu sein, aus Sehnsucht nach körperlicher Nähe usw gehen viele Beziehungen ein die (rational betrachtet) von vornherein völlig zum Scheitern verurteilt sind. Oft zeigt sich nach einigen Monaten, wenn die Gefühle einen "normalen" Pegel erreicht haben, dass es völliger unsinn war die Beziehung einzugehen weil man oft keine gleichen Interessen hat und auch keine Perspektive für die längere Zukunft hat.
2) Verlierer an der Börse: Hier zeigt sich ebenfalls, wie Emotionalität und Handeln nach Gefühl zu schweren Fehlern führt. Menschen steigen in Derivate und Assets ein die im extremen Hype sind ( Beispiel: Bitcoin Hype, Dogecoin Hype, Tesla Hype, Silberspekulation der Gebrüder Hunt etc etc... die Liste ist Lang) und lassen sich durch den Hype mitreißen, kaufen viel zu teuer ein und verkaufen, wenn der Kurs dann im freien Fall ist, völlig unüberlegt anstatt die Korrektur auszusitzen. Rational denkende Menschen würden nie all-in in Hochspekulative Assets mit 40, 60 oder gar 80% ihres Vermögens einsteigen, schon gar nicht wenn sich ein derartiger Hype und die damit einhergehende überhitzung des Marktes abzeichnet.
3) Streitgespräche: Das ist wohl auch das beste Beispiel fürs Forum. Wie oben von meinen Vorrednern schon richtig erwähnt fängt es mit 2 Unterschiedlichen Meinungen noch ganz freundlich an. Doch mit hinzukommen von neuen Personen die ihren Senf dazugeben und sich dabei ganz unterschiedlich fühlen wird aus einer kleinen Diskussion schnell ein 200-Beiträge Thread in dem jeder ein bisschen Öl in das Feuer der Diskussion gießt. Emotionalität (die nach Zehnstündigem Scheitern in einem JnR vorhersehbar ist) entlädt sich im Geschriebenen in Form von Sticheleien, Hetzerei und nicht selten Polemik.
Doch warum eigentlich? Und vor allem, was kann man als Außenstehender tun um die Eskalation zu vermeiden?
Menschen sind Emotionale Wesen. Jeder wird durch sein Umfeld, seinen Freundeskreis und die Familie völlig anders geprägt und erzogen. Während es in meinem Elternhaus völlig undenkbar ist, dass man sich gegenseitig beschimpft / einander Flucht ist das in anderen Familien Gang und Gäbe. Daraus resultiert auch ein völlig verschiedenes Verständnis davon, was in eine Diskussion gehört, und was nicht. Und genau hier entsteht das Problem: Während diejenigen, die durch ihr Umfeld positiv geprägt wurden wissen, dass man eine Diskussion immer konstruktiv führt und destruktive Argumende tunlichst meiden muss, haben jene, welche nie ein gutes Umfeld im Kreise der Mitmenschen erfahren haben, kaum ein Verständnis davon. Das schlimme daran: Sie sind sich oft dessen nicht einmal bewusst, und wenn man sie freundlich darauf hinweist dass für ein gutes Gesellschaftliches zusammenleben solche Kommentare unterlassen werden müssen, fassen sie es nicht selten als persönliche Kritik auf. Die Kunst des Vermittelnden ist dabei, das auf möglichst freundliche Art und Weise klarzustellen dass eine Rote Linie überschritten wurde. Eine Eskalation ist meist auch keine sache von Sekunden. Meist zeichnet sich der Konflikt ja schon vorab durch unterschwellige Bemerkungen ab, versteckte Provokation und die Verwendung harmloserer Kraftausdrücke. Und genau hier muss dann eingegriffen werden bevor die Sache aus dem Ruder läuft, hier muss derjenige, der Vermitteln möchte bzw im Forum damit beauftragt ist, beide Positionen aufgreifen und sollte auf möglichst vorsichtige Art und weise klarstellen dass jede Aussage, die konstruktiv ist, ihre Berechtigung hat.
Doch nicht nur das Umfeld prägt, auch das Tagesgeschehen/ die Aktuelle Lage in der sich die Diskutierenden befinden spielt eine Große Rolle. Nach einem stressigen Arbeitstag, der schlechten Laune des Chefs, dem Quengelnden Bruder und der S-Bahn mit 60 Minuten Verspätung tendieren auch gut Erzogene und durch ihr Umfeld positiv geprägte Menschen dazu, sich zu Polemik hinreißen zu lassen. Jedoch gilt auch hier das selbe wie vorher geschrieben: Auch hier lässt sich die Eskalation durch Vermitteln zwischen den Konfliktparteien begrenzen bzw ganz aufhalten.
Was kann man als Beteiligter der Diskussion tun?
Einen Gang runter schalten, niemals Emotional Beiträge verfassen sondern erst, wenn man seine Emotionen wieder völlig im Griff hat. Den Beitrag vielleicht erst mal in Word schreiben und dann speichern und am Tag darauf nochmal lesen. Dann fällt oft schon auf dass man völlig überreagiert hat und das besser nicht ins Forum stellt. Oder sich einfach mal in die Lage des anderen versetzen. Oftmals könnte man so schon einigen Konflikten aus dem Weg gehen. Wenn ich mich z.B. als JnR-Kritiker in die Lage dessen versetze, der das mit mühe Gebaut und entworfen hat, sollte schnell klar sein dass die Person da ein stück von sich selbst investiert hat und es dementsprechend unangebracht ist, das ganze zu beschimpfen "Immer das selbe, Langweilig usw".
Mein Beitrag deckt bei weitem nicht die gesammte Tiefe dieser Thematik ab, über diese Thematik werden hunderte Seiten lange Doktorarbeiten verfasst. Dennoch finde ich es wichtig, dass man sich da mal Gedanken macht und sich auch überlegt, wie man zukünftig Eskalationen vermeiden kann und zu einem guten Zusammenleben im Forum, aber auch im Reallive, beitragen kann.
Ich persönlich finde es extrem wichtig, dass man immer das persönliche Gespräch sucht, sich mit den Leuten an einen Tisch setzt und mal in Ruhe miteinander spricht, besonders dann wenn es mal eskaliert ist. Doch dazu braucht es eben meist einen Vermittler, der sich beider Seiten annimmt, da oft das Menschliche Ego ein wenig im weg steht. Stichwort "Der hat sich bei mir zu entschuldigen für seine Frechheit..." .
Soviel dazu, meine Gedankengänge
