Sind Eskalationen in Forendiskussionen unvermeidlich?

Sumpfhytte

Serverteam
Administrator
11 Aug 2014
7.740
Ich glaube, ja.

Der Grund ist - zumindest bei uns - nicht einmal die Anonymität, sondern die Schriftform. Im realen Gespräch sieht man Mimik und Gestik und hört den Tonfall, das fehlt hier alles. Das wird vom Leser hineininterpretiert aufgrund seiner eigenen Erfahrungen und eigener aktueller Stimmung.

Unser Forum ist sehr aktiv. Das finden wir prima und das soll auch so bleiben. Das Löschen von einzelnen Beiträgen ist für eine hitzige Diskussion auch kein gutes Mittel, weil es sofort eine Diskussion zum Thema Zensur auslösen würde ("warum wurde mein Beitrag gelöscht und nicht der andere?"). Und würden wir von vornherein keine Kommentare zulassen, käme der Vorwurf, das Serverteam wolle keine Kritik hören. Wir lesen uns aber tatsächlich alle Kommentare durch und diskutieren auch intern darüber.

Alles fängt so harmlos an: Jemand findet etwas nicht gut, ein anderer widerspricht, ein dritter "gibt seinen Senf dazu", ein vierter kann nicht so gut formulieren, dass es alle richtig verstehen, Helfer greifen ein, um die Standpunkte der anderen zu erklären etc. Aufregung und Empörung machen sich breit. Warum eigentlich?
Die Eskalation scheint wirklich unvermeidlich zu sein. Eine Forendiskussion kann man auch nicht moderieren wie eine richtige Diskussion, bei der die Teilnehmerzahl begrenzt und der Moderator ständig anwesend ist und schon beim Aussprechen eines einzelnen Satzes nachfragen kann.

In einem Forum gibt es ganz andere Mechanismen und Dynamiken. Im Prinzip geht es um die Medienkompetenz jedes Einzelnen, oder?

Wie ist eure Meinung dazu?
 
Erstmal, schönes Thema und ich finde es toll, dass sowas hier mal angesprochen wird.

Diskussionen an sich sind ja nie das Problem. Meistens ist die Umgangsform die eigentliche Problematik bei diesen. Hier, im Internet, herrscht immer eine große Anonymität, was denke ich mal ein wichtiger Faktor ist, wie man sich so in Diskussionen gibt und wie man sich ausdrückt. Klar, irgendwie kennen wir uns alle über den Server, über ts. Jedoch kennen sich nicht alle die im Forum schreiben persönlich, oder haben eventuell schon vorher mal ein Wort miteinander gewechselt.

Schriftlich ist immer eine andere Kommunikationsart als ein persönliches Gespräch oder ein Gespräch im ts o.ä. Im ts kann man meistens schon durch die Stimme erkennen, wie eine Person zu einem Thema steht. Ebenso ist es dort auch eben viel schneller möglich, ein Missverständnis durch sofortiges nachfragen wieder aus dem Weg zu räumen. In schriftlicher Form ist das aber anders. Keiner dieser Faktoren spielt eine Rolle. Es sind Wörter, welche von jeder Person anders interpretiert werden, sie werden immer anders gelesen, je nach dem, mit welcher Einstellung man an solch einen Text rangeht, kann die Wirkung des Textes beeinflussen. Schon dadurch kann ein Text aus seinem Sinn gerissen werden und es entsteht eine Diskussion beruhend auf (falschen) Interpretationen.

Jedoch ist es auch manchen Leuten genau recht, wenn so etwas passiert. Sie benutzen schon vorher eine eher Provokante Schreibweise, um damit ihren Standpunkt zu verdeutlichen und mit dieser Provokation dann ein Diskussion zu entfachen, welche eher auf Unsachlichkeit beruht, um nicht mit richtigen Argumenten kommen zu müssen, sondern nur auf die bevorstehende Art der anderen Schreiber zu verweisen, welche dann als Unsachlich deklariert wird und man von seiner eigenen Schreibweise ablenkt.

Argumente bzw. Kritik sollte immer sachlich geschrieben sein, damit man sich diese auch zu Herzen nimmt. Bei verwenden von nur, ich sage mal „negativen Kraftausdrücken“ will man sich diese Kritik eh nicht annehmen, da diese unseriös scheint und man sie damit eigentlich gar nicht ernst nehmen kann.

Wenn sich solche Aspekte mal zu Herzen genommen werden, kann man denke ich mal solch hitzige Diskussionen vermeiden. Jedoch ist das eher unwahrscheinlich da es immer Leute gibt, welche eher mit Provokation als mit sachlicher Kritik ihre Meinung formulieren. Es wäre vlt eher besser, wenn sich streitende Personen auch mal zu einem Gespräch verabreden, anstatt öffentlich zu diskutieren, da so nur noch mehr Missverständnisse entstehen und Unklarheiten eigentlich fast nicht beiseite schiebbar sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich schließe bei hucke mal an.

Gerade bei hitzigen Diskussionen ist es oft der Fall, dass man eben nicht nachdenkt oder mal "drüber schläft", um den Kopf frei zu bekommen. Ich denke, dass die meisten Personen hier, die der deutschen Sprache mächtig sind, schon in der Lage sind sich vernünftig auszudrücken, wenn sie es denn wollen.
Das große Problem dabei ist, dass man gerade dann eine Kritik schreibt, wenn etwas stört oder man verärgert drüber ist.
Emotionen leiten dann den Gedankenfluss und man schreibt sich in Rage. Und je mehr man von Emotionen gelenkt wird, gerade von negativen Emotionen, umso mehr wird der Eindruck von einer anderen Person verfälscht.
Es ist bewiesen (Quelle keine Ahnung, irgendwo vor ner Weile mal im Internet gelesen), dass das Gehirn empfänglicher für Signale wird, aber gleichzeitig viel mehr falsch interpretiert wird. "Wir nehmen andere stärker wahr, es fällt uns aber schwerer sie zu verstehen" (Quelle).
Ich schätze, dass dieser Satz nicht nur auf Kommunikation im realen Leben anwendbar ist, sondern auch in dieser Schriftform. Wenn man eh schon wütend ist, ist es ein Leichtes einen eigentlich positiv oder zumindest neutralen Text falsch zu interpretieren. Das ist auch gar nicht böse gemeint, sondern einfach menschlich.
Dazu kommt, dass man oft gerne auf seiner eigenen Meinung beharrt und einen Kompromiss nicht gerne sieht. Wenn man sich eine Meinung in den Kopf gesetzt hat ist es schwer sie zu lösen oder daran zu denken, dass andere Leute eine andere Meinung haben. Dass andere Leute eine andere Meinung haben als man selbst verstehen nicht alle.

Bezüglich die Ausgangsfrage: Nein, Eskalationen sind nicht zu vermeiden. Meinungen driften auseinander und das auf einer sachlichen Ebene zu klären ist sehr schwer und das ist gerade dann nicht möglich, wenn man aufgebracht ist.

Das beste, was man machen kann, ist zu erkennen, dass man selbst gerade im Begriff ist etwas zu schreiben, was eher auf Emotionen basiert, anstatt sachliche Kritik. Und wenn man das erkannt hat einfach mal abschalten und sich ablenken, um einen klaren Kopf zu bekommen. Vielleicht mal eine Nacht drüber schlafen und an etwas anderes denken. Danach ist der Kopf freier, nicht mehr so auf Emotionen basiert und man sieht klarer, was man schreibt und wie es eventuell verstanden werden kann.
Und natürlich drüber nachdenken, ob der Text, den man gerade von einer anderen Person gelesen hat, wirklich so negativ gemeint war, oder vielleicht neutral oder sogar positiv.

Zum Schluss: Dieser Beitrag basiert auf persönlichen Erfahrungen mit anderen Personen, als auch bei mir selbst.
 
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Sehr interessante Frage.

Auch ich finde es gut dass dieses Thema mal angesprochen wird und möchte hiermit mal meine Erfahrung und meine Gedanken in der Thematik teilen.

Vorweg meine Meinung, die ich im nachfolgenden erläutere: Eskalationen in Forendiskussionen sind meiner Meinung nach vermeidbar unter gewissen Bedingungen.

Zunächst einmal ist klar, dass der Mensch gerne sein Handeln von Gefühlen und Emotionen lenken lässt und dass dies in den meisten Fällen unklug ist. Das sieht man in vielen Bereichen des realen Lebens, als auch hier im Forum. Ein Paar beispiele aus dem Reallive:

1) Beziehungen: Besonders hier merkt man oft, wie Emotionalität Menschen für die Realität völlig erblinden lässt. Aus der reinen Angst, allein zu sein, aus Sehnsucht nach körperlicher Nähe usw gehen viele Beziehungen ein die (rational betrachtet) von vornherein völlig zum Scheitern verurteilt sind. Oft zeigt sich nach einigen Monaten, wenn die Gefühle einen "normalen" Pegel erreicht haben, dass es völliger unsinn war die Beziehung einzugehen weil man oft keine gleichen Interessen hat und auch keine Perspektive für die längere Zukunft hat.

2) Verlierer an der Börse: Hier zeigt sich ebenfalls, wie Emotionalität und Handeln nach Gefühl zu schweren Fehlern führt. Menschen steigen in Derivate und Assets ein die im extremen Hype sind ( Beispiel: Bitcoin Hype, Dogecoin Hype, Tesla Hype, Silberspekulation der Gebrüder Hunt etc etc... die Liste ist Lang) und lassen sich durch den Hype mitreißen, kaufen viel zu teuer ein und verkaufen, wenn der Kurs dann im freien Fall ist, völlig unüberlegt anstatt die Korrektur auszusitzen. Rational denkende Menschen würden nie all-in in Hochspekulative Assets mit 40, 60 oder gar 80% ihres Vermögens einsteigen, schon gar nicht wenn sich ein derartiger Hype und die damit einhergehende überhitzung des Marktes abzeichnet.

3) Streitgespräche: Das ist wohl auch das beste Beispiel fürs Forum. Wie oben von meinen Vorrednern schon richtig erwähnt fängt es mit 2 Unterschiedlichen Meinungen noch ganz freundlich an. Doch mit hinzukommen von neuen Personen die ihren Senf dazugeben und sich dabei ganz unterschiedlich fühlen wird aus einer kleinen Diskussion schnell ein 200-Beiträge Thread in dem jeder ein bisschen Öl in das Feuer der Diskussion gießt. Emotionalität (die nach Zehnstündigem Scheitern in einem JnR vorhersehbar ist) entlädt sich im Geschriebenen in Form von Sticheleien, Hetzerei und nicht selten Polemik.

Doch warum eigentlich? Und vor allem, was kann man als Außenstehender tun um die Eskalation zu vermeiden?

Menschen sind Emotionale Wesen. Jeder wird durch sein Umfeld, seinen Freundeskreis und die Familie völlig anders geprägt und erzogen. Während es in meinem Elternhaus völlig undenkbar ist, dass man sich gegenseitig beschimpft / einander Flucht ist das in anderen Familien Gang und Gäbe. Daraus resultiert auch ein völlig verschiedenes Verständnis davon, was in eine Diskussion gehört, und was nicht. Und genau hier entsteht das Problem: Während diejenigen, die durch ihr Umfeld positiv geprägt wurden wissen, dass man eine Diskussion immer konstruktiv führt und destruktive Argumende tunlichst meiden muss, haben jene, welche nie ein gutes Umfeld im Kreise der Mitmenschen erfahren haben, kaum ein Verständnis davon. Das schlimme daran: Sie sind sich oft dessen nicht einmal bewusst, und wenn man sie freundlich darauf hinweist dass für ein gutes Gesellschaftliches zusammenleben solche Kommentare unterlassen werden müssen, fassen sie es nicht selten als persönliche Kritik auf. Die Kunst des Vermittelnden ist dabei, das auf möglichst freundliche Art und Weise klarzustellen dass eine Rote Linie überschritten wurde. Eine Eskalation ist meist auch keine sache von Sekunden. Meist zeichnet sich der Konflikt ja schon vorab durch unterschwellige Bemerkungen ab, versteckte Provokation und die Verwendung harmloserer Kraftausdrücke. Und genau hier muss dann eingegriffen werden bevor die Sache aus dem Ruder läuft, hier muss derjenige, der Vermitteln möchte bzw im Forum damit beauftragt ist, beide Positionen aufgreifen und sollte auf möglichst vorsichtige Art und weise klarstellen dass jede Aussage, die konstruktiv ist, ihre Berechtigung hat.

Doch nicht nur das Umfeld prägt, auch das Tagesgeschehen/ die Aktuelle Lage in der sich die Diskutierenden befinden spielt eine Große Rolle. Nach einem stressigen Arbeitstag, der schlechten Laune des Chefs, dem Quengelnden Bruder und der S-Bahn mit 60 Minuten Verspätung tendieren auch gut Erzogene und durch ihr Umfeld positiv geprägte Menschen dazu, sich zu Polemik hinreißen zu lassen. Jedoch gilt auch hier das selbe wie vorher geschrieben: Auch hier lässt sich die Eskalation durch Vermitteln zwischen den Konfliktparteien begrenzen bzw ganz aufhalten.

Was kann man als Beteiligter der Diskussion tun?
Einen Gang runter schalten, niemals Emotional Beiträge verfassen sondern erst, wenn man seine Emotionen wieder völlig im Griff hat. Den Beitrag vielleicht erst mal in Word schreiben und dann speichern und am Tag darauf nochmal lesen. Dann fällt oft schon auf dass man völlig überreagiert hat und das besser nicht ins Forum stellt. Oder sich einfach mal in die Lage des anderen versetzen. Oftmals könnte man so schon einigen Konflikten aus dem Weg gehen. Wenn ich mich z.B. als JnR-Kritiker in die Lage dessen versetze, der das mit mühe Gebaut und entworfen hat, sollte schnell klar sein dass die Person da ein stück von sich selbst investiert hat und es dementsprechend unangebracht ist, das ganze zu beschimpfen "Immer das selbe, Langweilig usw".

Mein Beitrag deckt bei weitem nicht die gesammte Tiefe dieser Thematik ab, über diese Thematik werden hunderte Seiten lange Doktorarbeiten verfasst. Dennoch finde ich es wichtig, dass man sich da mal Gedanken macht und sich auch überlegt, wie man zukünftig Eskalationen vermeiden kann und zu einem guten Zusammenleben im Forum, aber auch im Reallive, beitragen kann.

Ich persönlich finde es extrem wichtig, dass man immer das persönliche Gespräch sucht, sich mit den Leuten an einen Tisch setzt und mal in Ruhe miteinander spricht, besonders dann wenn es mal eskaliert ist. Doch dazu braucht es eben meist einen Vermittler, der sich beider Seiten annimmt, da oft das Menschliche Ego ein wenig im weg steht. Stichwort "Der hat sich bei mir zu entschuldigen für seine Frechheit..." .

Soviel dazu, meine Gedankengänge :)
 

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